Erinnerung ist Zukunft:

Die Geschichte der Familie Blach

Das Schicksal einer Stralsunder jüdischen Kaufmannsfamilie

Die AG „Kirche und Judentum“ lud anlässlich des 84. Jahrestages der Reichskristallnacht am 9. November zu einem Vortrag von und mit Friederike Fechner, über das Schicksal einer Stralsunder jüdischen Kaufmannsfamilie, ins Greifswalder St. Spiritus ein. Mit Musik von den zeitgenössischen Komponisten Max Bruch und Maurice Ravel wurde diese Veranstaltung begleitet.  Die aus dem Raum Hannover kommende Cello-Musikerin und Historikerin, Friederike Fechner, erwarb mit im ihrem Mann, kurz nach der Wende, das völlig desolate Kaufmannshaus Heilgeiststraße 89. Sie wusste nicht, dass sie damit ein Haus erwarb, welches die jüdische Geschichte Pommerns wie in einem Brennglas zusammenfassen sollte.

Ein Kosmos Stralsunder jüdischer Geschichte

Das Haus in exponierter Lage in der Stralsunder Innenstadt gehörte seit Generationen der Kaufmannsfamilie Blach. Die historisch interessierte Musikerin Friederike Fechner recherchierte und es eröffnete sich ihr ein Kosmos Stralsunder jüdischer Geschichte, die sie bis in die Niederlande, England und die USA führte. Mit jedem Baustein der Historie der Familie Blach tat sich ein neues Puzzle auf. (Auszug aus dem Vorpommern Magazin, Dez. 2022 |S. 37)

Gründer des berühmten Kaufhaus‘ Wertheim

Die Eheleute Felix Blach (1853-1933) und Friedchen Salomon (1859-1938) gründeten beispielsweise Ende des 19. Jahrhundert das berühmte Kaufhaus Wertheim. Namensgeberin Hedwig Wertheim, 1893-1938 auf der Flucht nach Großbritanien verschollen, Tochter von Felix Blach, musste später das Kaufhaus schließen. 1938 floh sie mit ihren Kindern Rudolph und Cornelia nach England. Friedericke Fechner fand ihre Nachkommen in England und den USA, wo aus Blach nun Blake geworden war. Auch das auf Blachs Verwandschaft zurückführende Kaufhaus Tietz stellte in den 1920/30er Jahren ein expandierendes Versorgungszentrum in Stralsund dar. In der Hauptstadt des damaligen Pommerschen Regierungsbezirks gab es in den 30er-Jahren 160 Stralsunder Familien, 1946 waren noch sechs Menschen übriggeblieben. 1934 fand eine Art Nazienteignung statt, infolgedessen 1937 Felix Blach ins Ausland floh. Der größte Teil der umfangreichen Blach-Familie wurde allerdings in den KZs ermordet.

Friederike Fechner recherchierte und fand eine beträchtliche Anzahl verschiedenen Blach-Nachkommen

Friederike Fechner betrieb weitergehende Recherchen, auf dem Stralsunder jüdischen Friedhof, per Internet, per Zeitungsanzeigen, persönliche Kontakte usw. Das Resultat: Eine beträchtliche Anzahl verschiedenen Blach-Nachkommen fand sie in England, Niederlande und Übersee. Besonders die Familienline Julius Blach (1841-1921) und Selma Wallmann (1845-1928), Sohn Friedrich Blach (1884-1969) hatte als einziges Geschwisterteil die Schoha überlebt, brachte viele Nachkommen hervor, die jetzt als Wissenschaftler, Künstler oder Ärzte in den USA zuhause sind. Friedricke Fechner hat sie mit ihren Recherchen unbewusst zusammengebracht, denn sie wussten nichts voneinander, sodass vom 18.-22.8.2022 mit über 20 Familien, Nachkommen der Blachs (Blakes) aus den USA, Niederlande und England, ein großes Familienwiedersehen gefeiert werden konnte. Das Deutsche Fernsehen strahlte zu diesem Anlass erst kürzlich einen Dokumentarfilm aus und auch der NDR beteiligte sich mit einem Podcast an dieser außergewöhnlichen Familiengeschichte.

„Erinnerung ist Teil der Zukunft.“

Beide Formate sind in den jeweiligen Mediatheken abrufbar. Friedricke Fechner, deren erworbenes jüdisches Kaufmannfamilienhaus 2015 in neuem Gewand einen krönenden Sanierungsabschluss erfuhr, freut sich besonders über die Familienzusammenführung der Blachs und Blakes. Für sie war es die beste Botschaft zum 84. Jahrestag der Reichskristallnacht mit seinen Pogromen, denn: „Erinnerung ist Teil der Zukunft.“ Recht hat sie! 

(Text: Hans-Jürgen Schumacher | Fotos: Steffi Schalli)

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